Rollenspiele
Rollenspiele lassen den Spieler in die Haut eines oder mehrerer Spielfiguren schlüpfen, mit denen er fiktive Welten erkundet und dort zahlreiche Aufgaben und Missionen, sogenannte Quests, erfüllt.
Rollenspiele (oder RPGs, wie das Akronym des englischen Begriffs 'Role-playing games' lautet) zeichnen sich durch weitläufige, relativ frei erforschbare Schauplätze, umfangreiches taktisches (also von Geschicklichkeit weitgehend unabhängiges) Kampfgeschehen, vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten und eine ständige Weiterentwicklung der Helden aus.
Vor allem dieser Gewinn an Erfahrung, Fertigkeiten und virtuellen Gütern sorgt für starke Identifikation und hohe Motivation. Die Computer-Rollenspiele stammen von den Pen&Paper-Rollenspielen ab, in denen statt eines Computers ein Spielleiter die Welt beschreibt, deren Bewohner mimt, die Geschichte erzählt und die Gegenspieler lenkt.
Die Mitspieler übernehmen die Rolle von Helden-Charakteren, deren Fähigkeiten und Aktionsmöglichkeiten durch Zahlenwerte ausgedrückt werden, die man mittels Stift und Papier (daher die englische Bezeichnung Pen&Paper) festhält.
Populär wurden diese Rollenspiele, die sich durch komplexe Regelsysteme und die Verwendung vielseitiger Würfel auszeichnen, in der Mitte der 1970er-Jahre in den USA durch die "Dungeons & Dragons"-Reihe, welche wiederum stark von den Werken J.R.R. Tolkiens ("Der Herr der Ringe") inspiriert war. Noch heute herrschen bei Pen&Paper sowie Computer-Rollenspielen Fantasy-Themen vor, allerdings befasst sich dieses Spielgenre auch häufig mit Science Fiction, seltener mit Horror, Superhelden oder Endzeit-Szenarien.
Computer-Helden im Westen
Frühe Computer-Freaks sind häufig auch Pen&Paper-Fans.
So ist es nicht verwunderlich, dass bereits in den Anfangstagen der Heimcomputer-Ära zahlreiche Rollenspiele für Atari-, Apple- oder Commodore-Rechner entstehen. 1981 veröffentlicht der (in Texas aufwachsende) Engländer Richard Garriott den ersten Teil seiner "Ultima"-Serie, die zusammen mit der "Wizardry"-Reihe des US-Herstellers Sir-Tech etliche Rollenspiel-Standards - wie den taktischen, rundenbasierten Kampf einer ganzen Heldengruppe - setzt und die Entwicklung von Rollenspiel in West wie Ost nachhaltig beeinflusst.
Computer-Rollenspiele erfreuen sich in den 1980ern und 1990ern großer Popularität: Electronic Arts veröffentlicht 1985 das erste "The Bard's Tale", 1986 debütiert die "Might & Magic"-Serie und 1988 kommt mit SSis "Pool of Radiance" die erste von rund einem Dutzend offiziell lizenzierter D&D-Umsetzungen.
Während all diese Titel mit kruder Vogel- bzw. Einzelbild-Ego-Perspektive reichlich Phantasie vom Spieler verlangen, lässt FTLs "Dungeon Master" für Atari ST und Amiga 1987 in eine Echtzeit-3D-Welt eintauchen.
In den 1990ern lässt das Interesse an Computer-Rollenspielen nach, gegen Ende des Jahrzehnts erscheinen allerdings eine Handvoll wegweisender Titel: 1997 veröffentlicht Blizzard das Action-RPG "Diablo", von Black Isle kommt das Postapokalypse-Abenteuer "Fallout" und die Entwickler BioWare erobern sich 1998 mit "Baldur's Gate" einen Platz im Herzen der PC-Rollenspieler.
Heute erscheinen zwar westliche RPGs (wie "Risen" oder "The Elder Scrolls V: Skyrim") auch für Konsolen - sie heben sich aber häufig durch eine weite, offene Welt, relativ freie Charakterwahl und vielfältigere Beute von ihren fernöstlichen Kollegen ab.
Konsolen-Recken im Osten
Zwar gibt es in Japan in den 1980ern dank MSX- und NEC-Rechnern eine ansehnliche Heimcomputer-Szene, in der auch Rollenspiele Platz und Einfluss haben - Nihon Falcoms Action-orientierte Dungeon-Hatz "Dragon Slayer" inspiriert beispielsweise Shigeru Miyamotos "Legend of Zelda", weltweite Bedeutung erfahren aber nur die Serien, die auf Videospielkonsolen debütieren - allen voran "Dragon Quest" (1986) sowie "Final Fantasy" (1987), die zunächst in scharfer Konkurrenz zueinander stehen, heute aber nach Fusion der beiden Hersteller Enix und Square beides Marken des Unternehmens SquareEnix sind.
Konsolen-Rollenspiele bedienen sich zwar auch Charakterwerten und Erfahrungsstufen, verzichten aber auf komplexe, Statistik. Schwere Regelwerke à la Dungeons & Dragons schränken schon wegen der Tastenarmut eines Gamepads im Vergleich zu einem Computer-Keyboard die Optionen des Spielers erheblich ein. Dafür legen die japanischen Werke mehr Wert auf ausgefeilte, individuelle Heldenfiguren und das Erzählen epischer Geschichten (was allerdings Freiheit kostet und mehr Linearität in den Spielablauf bringt).
Während die Story auf Mega Drive und Super Nintendo noch durch ellenlange Texte und selbstablaufende Sequenzen in pixeliger Spielegrafik dargeboten wird, herrschen ab "Final Fantasy VII" auf der PSone aufwendige Inszenierungen bei Konsolen-RPGs vor: Bis heute steht Squares berühmte Serie, deren jüngste Episode "Final Fantasy XIII-2" Anfang 2012 erscheint, für bombastische computer-generierte Filmsequenzen, orchestrale Soundtracks und Charaktere mit Popstar-Qualität.
Obwohl schon über hundert Millionen "Final Fantasy"-Spiele verkauft wurden, gebührt einer viel unscheinbareren japanischen Marke das Etikett 'Bestverkaufte RPG-Marke aller Zeiten': Die "Pokémon"-Titel, in denen der Spieler die Rolle eines Sammlers und Trainers knuddeliger Monster übernimmt, weisen typische RPG-Mechaniken auf (Erfahrungssystem, taktische Kämpfe, wachsendes Inventar) und summierten sich bereits Mitte 2008 auf über 175 Millionen verkaufte Stück.